Jagdverhalten bei Hunden

Donnerstag, 13. März 2014 19:01:31

Jagende Hunde! Kaum ein Phänomen sorgt für so unterschiedliche Diskussionen und Behandlungsansätze im Hundetraining, lässt aber vor allem Hundehalter verzweifeln und beschert vielen Hunden ein dauerhaftes Leben an der Leine. (kf)

Jäger, als Profi geboren

Ist man als Hundebesitzer ungewollt mit einem jagdeifrigen Hund gesegnet, ist es zunächst sinnvoll, sich dem Thema mit einigem theoretischen Hintergrundwissen zu nähern. Von der Definition her gehört das Jagdverhalten zu dem Funktionskreis der Nahrungsbeschaffung. Dazu zählt unter anderem die Bereitschaft, etwas aufzustöbern, zu verfolgen, zu fangen, zu beißen, zu töten und zu fressen. Hunde können alle oder nur einzelne Teile des Jagdverhaltens zeigen, z. B. einen Hasen jagen, hetzen, aber ihn nicht erbeuten und auffressen. Gewisse Hunderassen wurden früher für die Jagd gezüchtet und sind somit - auch wenn sie heute kaum mehr dafür eingesetzt werden - erblich vorbelastet, die Sprache ist vom sogenannten Jagdtrieb. Bei diesem ist der Hund in „jagdlicher Situation" genetisch vorprogrammiert. Sprich, er reagiert auf gewisse Reize (z. B. einen Bewegungsreiz) automatisch mit Jagdverhalten und spult dann zwangsläufig eine Handlungsabfolge ab. Seine Reaktion auf gewisse Reize ist genetisch fixiert, das Jagen ist ihm in „die Wiege gelegt" worden. Zudem ist Jagen so ziemlich der einzige Bereich, bei dem Hunde auf eine Belohnung von uns Menschen dankend verzichten können, denn die Jagd wirkt auf sie selbst belohnend. Die Handlung selbst, z. B. das Verfolgen, macht dem Hund so viel Spaß, dass er sie ohne zusätzliche Belohnung, mit höchster Motivation, immer wieder erneut ausleben möchte. Aber warum ist das so?

Jagen – Belohnung – Glück

Dopamin ist ein Botenstoff und für das Belohnungssystem im Gehirn verantwortlich. Jagen löst durch die Ausschüttung von Dopamin eine Belohnung aus und gleichzeitig macht es Lust auf Wiederholung. Wenn wir bedenken, dass Dopamin bei allen Suchterkrankungen eine große Rolle spielt, wissen wir um die starke Wirkung. Daneben werden auch Endorphine, sogenannte körpereigene „Glücklichmacher" produziert. Daraus ergibt sich für uns Hundehalter eine wesentliche Erkenntnis für den Umgang mit jagdeifrigen Hunden: Unkontrolliertes Jagdverhalten kann man nicht einfach verbieten bzw. mit einem Signal oder einer Strafe abbrechen. Es kann weder „abgeschaltet" noch „repariert" werden, denn dieser Urinstinkt wird schlichtweg nicht verschwinden. Allerdings können Hundehalter einiges tun, um die Jagdneigung ihres Vierbeiners zu kontrollieren, zu lenken, Alternativen zu bieten und im Alltag für alle Beteiligten zufriedenstellende Lösungen zu finden, aber dazu später.

Prophylaxe Jagdverhalten

Ein jagdeifriger Vierbeiner fällt uns Hundehaltern ja nicht mit der Tür ins Haus - was kann man also tun? Die Jagdneigung bei Hunden ist rasseabhängig. Ebenso können die Erziehung sowie unbewusste Bestätigung seitens der Halter dazu beitragen, ob und in welcher Intensität ein Hund Jagdverhalten ausbildet oder zeigt. Vor der Anschaffung eines Hundes ist die geeignete Rassewahl (auch bei Mischlingen darauf achten, was „drin steckt") unabdingbar. Der Hund sollte nicht mehr Jagdleidenschaft besitzen, als er dann zukünftig in seinem Umfeld ausleben darf und kann. Zieht ein junger Hund bei Ihnen zu Hause ein, ist es wichtig, dass er frühzeitig Kontakt (bis zur 20. Lebenswoche) zu „jagdbaren" Tieren, wie Kaninchen, Katzen, Hühnern, Rehen usw. bekommt. Aber wichtig: in einem nicht jagdlichen Kontext, sprich er darf sie nur entspannt kennen lernen, aber nicht jagen! Das Gleiche betrifft Personen und Objekte mit Beuteverhalten, Jogger, Fahrradfahrer, Kleinkinder, Autos, Busse usw., mit denen der Hund in vielen positiven Situationen den Kontakt üben sollte. So festigen sich diese Personen und Objekte als „bekannte" Umwelt, ohne Verbindung zum Jagdeifer. Im ersten Lebensjahr sollten Hundebesitzer gänzlich auf Spiele, welche Jagdverhalten fördern, verzichten und ihren Hund von positiven Jagderlebnissen abhalten.

Jagdlos – ratlos: Trainingsmöglichkeiten mit Jägern

Das Vorspiel.
Haben wir nun — wie auch immer — einen leidenschaftlichen Jäger an unserer Seite, ist guter Rat teuer. Bevor es um konkrete Maßnahmen geht, heißt es zunächst: „Beobachte deinen Hund". Dazu sollten Sie sich folgende Fragen beantworten können:

  • Was ist das erste Anzeichen, dass mein Hund beim Jagen zeigt?
  • Wie verändert er sich und bis wann ist er ansprechbar?
  • Wie ist der Ablauf?
  • Welche Reize lösen das Jagen aus (Geruch, Sicht)?

Es ist besonders wichtig, die jagdliche „Vorphase" beim eigenen Hund zu erkennen. Warum? Weil sich daraus ableiten lässt, bis wann Sie Ihren Hund noch ansprechen und kontrollieren können. Gemeint ist der Zeitraum, bevor die jagdliche Funktionskette beim Hund ausgelöst wird. In einem kurzen Augenblick der Erstarrung entdeckt der Hund etwas mit Beutecharakter. In diesem Moment kommt es zur innerlichen Umstellung: Vom ungerichteten Suchen nach Reizen hin zum zielgerichteten Beginn der Jagd - die Beute wird taxiert. Dieses Zeitfenster (manchmal nur 2-3 Sekunden) ist der Raum, in dem wir noch Einfluss auf unseren Vierbeiner ausüben können bzw. mit einem Training ansetzen würden. Oder anders formuliert: Je weiter die jagdliche Handlung schon vorangeschritten ist, desto weniger kann der Hund, aufgrund seiner Stresshormone, auf andere Reize reagieren, was nichts mit Sturheit zu tun hat.

Bindung – Kontrolle – Auslastung

Im modernen Antijagdtraining setzt man mittlerweile auf ein vielschichtiges Training. Es wird zum einen bei der Bindung zwischen Hund und Halter angesetzt. Ein wichtiger Aspekt ist dabei, draußen auf Spaziergängen die Aufmerksamkeit des eigenen Hundes dauerhaft zu bekommen. Dies kann man z. B. durch gemeinsames Training und verschiedene Kommunikationstechniken erlernen. Ein zweiter Aspekt ist die Signalkontrolle des Hundes. Die Basissignale, wie Sitz, Platz, Rückruf usw., werden unter sich steigernden Ablenkungsreizen trainiert. Viele Wiederholungen (mind. 2000 x), viel Zeit und Geduld werden dabei dem Mensch-Hunde-Team abverlangt. Und zu guter Letzt geht es natürlich auch um die Auslastung unseres Vierbeiners. Nehmen wir ihm an einer Stelle die Möglichkeit, seinen Urinstinkt auszuleben, sollten wir ihm dafür eine Alternative anbieten. Sonst steigt der innerliche Druck wie in einem Dampfkochtopf und keinem ist geholfen. Jagdliche Auslastungen können sein: Nasenarbeit mit all ihren Spezialisierungen, Dunnmyarbeit usw. Wichtig ist, dass Mensch und Hund Spaß an dem Miteinander haben, denn ein zufriedener, ausgelasteter Hund neigt weniger zum Jagen.

In diesem Sinne wünschen wir Ihnen natürlich kein „Waidmannsheil“, aber auf jeden Fall viel Spaß mit Ihrer Fellnase.

Ihre Kristina Falke und Jörg Ziemer

Mit freundlicher Genehmigung von ZOO&Co
Quelle: freunde Das Magazin für Tierfreunde
www.zooundco.de
www.zooundco.at